Lausitzer Geschichte – Die totgeschwiegene Großfahndung Uckro
Es war eine der größten Polizei-Aktionen der jungen DDR und einer der größten Flops. Jahrzehntelang wurde die Großfahndung Uckro tot geschwiegen. Bis heute gibt die Flucht durch die Lausitz Rätsel auf.
Viel Verkehr ist selten am Bahnhof von Uckro, auch heute noch. Das Bahnhofsgebäude ist vernagelt, die Türen versperrt. Einmal allerdings war hier richtig was los, an jenem 10. Oktober 1953. Der lokale Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei, Hermann Grummini, hat einen nächtlichen Anruf erhalten. Fünf verdächtige Ausländer sollen sich im Zug nach Uckro befinden. Grummini quält sich aus dem Bett, informiert die Zentrale in Luckau und erhält Unterstützung. Als der Zug kurz nach vier Uhr den kleinen Bahnhof erreicht, stehen zehn Polizisten bereit, die Hälfte davon gerade erst in der Ausbildung, noch ohne Schusswaffen. Sie sichern den Bahnsteig und das umliegende Gelände.
Die fünf Männer, gesucht wegen eines bewaffneten Überfalls, befinden sich tatsächlich an Bord. Mit anderen Passagieren streben sie dem Ausgang des Bahnhofs zu. Erst kurz davor stoppt sie ein junger Volkspolizist. Was dann geschieht, lässt sich nicht mehr bis ins letzte Detail rekonstruieren. Es gibt unterschiedliche Versionen. Fest steht: In einem Feuergefecht stirbt Grummini, zwei weitere Volkspolizisten werden verletzt. darunter auch Helmut Strempel, der 2001 in einer Dokumentation für den SFB das Einschussloch in jenem FDJ-Ausweis zeigt, der ihm in jener Nacht das Leben gerettet haben soll.
Die fünf Tschechen entkommen. Der Beginn einer unglaublichen Verfolgungsjagd. Mehr als 10 000 Volkspolizisten und Soldaten jagen eine Handvoll Flüchtender und werden am Ende gnadenlos scheitern.
Die Männer, die der jungen DDR diese peinliche Schlappe einbrocken, sind die Brüder Josef (später Joe) und Ctirad (Radek) Masin. Sie sind die Söhne von General Masin, einem tschechischen Widerstandskämpfer, der seinen Söhnen das Versprechen zum Widerstand gegen jede Fremdherrschaft und Diktatur auferlegt hat. Das versuchen die Jungen zunächst in der Tschechoslowakei. Sie überfallen Polizeistationen und einen Geldtransport. Dabei kommt es zu den ersten Toten. Ein geplanter Brandanschlag gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft scheitert. Ein weiterer Toter. Die Brüder entscheiden sich zur Flucht in den Westen. In Berlin wollen sie sich den USA anschließen und mit deren Hilfe das Regime in ihrer Heimat stürzen.
Gemeinsam mit drei Freunden, Zbynek Janata, Vaclav Sveda und Milan Paumer (alle Anfang 20), machen sich die Brüder Masin Anfang Oktober auf den Weg. Vier Pistolen, ein wenig Proviant, Kompass und eine alte Karte sind ihre Ausrüstung. Der Grenzübertritt nach Sachsen gelingt im nächtlichen Nebel. Doch schon dabei geht die erste Pistole in einem Wasserloch verloren. Nach drei Tagen Kälte, Nässe und Schlafentzug entscheiden sich die fünf zu einer neuen Taktik. Sie wollen einen Wagen anhalten und stehlen, um damit schneller voranzukommen. Bei Freiberg in Sachsen versuchen sie ihr Glück. Der erste Schuss auf deutschem Boden fällt, doch der Raub misslingt.
Über Riesa gelangen die selbsternannten Freiheitskämpfer in die Lausitz. Ihr erster Kontakt ist allerdings nur kurz. Im Zug nach Elsterwerda pennen sie ein und wachen erst wieder auf, als der Zug zurück in Riesa ist. Stattdessen versuchen sie es zu Fuß und erreichen schließlich doch noch Elsterwerda. Dort kaufen sie sich von in Riesa erbeutetem Geld Fahrscheine Richtung Berlin. Der Zug fährt allerdings nur bis Uckro. Und der Fahrkartenverkäuferin kommen die fünf heruntergekommenen Männer verdächtig vor. Sie informiert die Transportpolizei, die dann den Hinweis an Kommissar Grummini in Uckro weitergibt.
Hinter Uckro nimmt das Abenteuer Fahrt auf. Nach dem Schusswechsel und ihrer Flucht aus dem Bahnhof geht der erste der fünf den Häschern ins Netz. Janata wird in Pelkwitz verhaftet. Die anderen vier umgehen die eilig errichteten Polizeikontrollen und verstecken sich in Reichwalde, unweit der heutigen A 13, in einem Stall. Die Sicherheitskräfte, durch das Verhör Janatas informiert, wen sie da vor sich haben, greifen zur ganz großen Keule. Polizisten aus der ganzen Region werden herangezogen, zusätzlich Soldaten und Sowjetkräfte. In Luckau werden die Kräfte zusammengezogen. Schlecht koordiniert gehen sie auf Jagd in der Region, errichten Sperren entlang der wichtigsten Straßen. Werner Illig, damals Kriminalpolizist, erinnert sich 2001 in einer Doku des SFB: Besonders in der Nacht wurde aus allen Rohren geschossen. Man sagt ja auch Luckau-Krieg.
Von all dem erfährt die Öffentlichkeit nichts. In der Lausitzer RUNDSCHAU tauchen erst neun Tage später erstmals Nachrichten auf. Darin werden die zu Tode gekommenen Polizisten als Helden geehrt und ihr mit großem Aufwand begangenes Begräbnis in Cottbus gewürdigt. Den Masins und ihren Gefährten war es nämlich gelungen, aus dem Kreis der Sicherheitskräfte zu fliehen. Zwei weitere Polizisten haben sie dabei erschossen, auf einem Feld bei Waldow, nördlich von Luckau. Ein weiterer Polizist wurde vermutlich von Polizeikugeln getötet. Ihn erklärt die Propaganda kurzerhand zu einem weiteren Opfer der faschistischen Banditen.
Dass die Masins ihren Verfolgern immer wieder entkommen können, ist dem teils dilettantischen Einsatz der Sicherheitskräfte geschuldet. Wolfgang Mittmann, ein ehemaliger Volkspolizist aus Elbe-Elster, hat die Geschichte, die von den Behörden zu DDR-Zeiten totgeschwiegen wurde, nach der Wende detailliert aufgearbeitet. Seine Beschreibung der Suchaktion bei Reichwalde: Neben uniformierten Gruppen stiefelten Kriminalisten in Zivil durch den Wald. Mitunter wusste einer vom anderen nicht, zu welcher Einheit er gehörte. Und die Männer wussten auch nichts von der tödlichen Entschlossenheit der Flüchtlinge, auf die sie Jagd machen sollten. So kamen zu den drei durch die Flüchtenden erschossenen Polizisten vier weitere, die durch friendly fire, wie der Amerikaner sagt, starben also durch Kugeln der eigenen Leute.
Mit Sveda ging den Fahndern zwar ein weiterer der Flüchtenden hinter Waldow angeschossen ins Netz. Die restlichen drei schafften es aber tatsächlich nach Berlin, teils zu Fuß, teils in Kartoffeln vergraben auf einem Güterwaggon immer unter den Augen der vorgeführten DDR-Sicherheitskräfte.
In den westlichen Medien sorgten die großflächigen Truppenbewegungen zwischen Cottbus und Berlin für wilde Spekulationen. Von Hunderten tschechischen, polnischen und ostdeutschen Partisanen im Kampf mit den Sowjets fantasierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter der Überschrift Unruhen bei Cottbus. Eine wachsende Untergrund-Armee im Widerstand wollte die Neue Zeitung in Berlin ausgemacht haben. Eine Volkspolizei-Razzia im Spreewald verkündete die Süddeutsche Zeitung ihren Lesern.
In der Lausitzer RUNDSCHAU spielte hingegen nur das Begräbnis der vier Polizisten eine Rolle. Für mehrere Tage bestimmten sie die Schlagzeilen: “Das Opfer, das die Genossen Hoffmann, Lehmann und Sunkel brachten, verpflichtet uns, die Wachsamkeit gegenüber allen Anschlägen auf unsere stolze Republik noch um ein Vielfaches zu erhöhen und den Kampf gegen die Feinde des neuen Deutschland zu verstärken.”
Unklar ist im Detail auch, wie die Tschechen die letzten Kilometer nach Berlin zurücklegten. Barbara Masin, die Tochter eines der beiden Brüder, hat die Spuren der Flucht nach der Wende verfolgt und in einem Buch veröffentlicht. Eine Familie, die den Flüchtenden damals Unterschlupf gewährte, hat sie getroffen. Polizei-Experte Mittmann vermutet weitere, die sich verärgert über die Kollektivierung der Landwirtschaft mit den Gesuchten solidarisierten.
Fest steht: Die Flucht gelang. Nur zurück in ihre Heimat kehrten die Masins nicht, weder mithilfe der USA noch nach der Wende. In Tschechien ist ihr Einsatz bis heute umstritten.
Quelle: Artikel von Bodo Baumert erschienen in der Lausitzer Rundschau – 28. Januar 2018
Lausitzer Geschichte – Das waren die Opfer von Uckro und Waldow
Bei ihrer Flucht durch die DDR lassen die Masin-Brüder 1953 mindestens drei tote Polizisten zurück. Weitere sterben um Kugelhagel der eigenen Kollegen. Wer waren die Opfer der Großfahndung Uckro?
Hermann Grummini (1906 – 1953): Als Abschnittsbevollmächtiger arbeitet der Kommissar 1953 für die Volkspolizei in Uckro bei Luckau. Der Polizei-Historiker und Schriftsteller Wolfgang Mittmann beschreibt ihn als in seinem Wesen etwas unbeholfen und phlegmatisch. In jener verhängnisvollen Nacht am 10. Oktober 1953 erfüllt er allerdings treu seine Pflicht, als nachts nach 3 Uhr das Telefon in seiner Wohnung klingelt. Grummini soll fünf Ausländer überprüfen, die in einer Stunde mit dem Zug aus Elsterwerda ankommen sollen. Er gehörte keineswegs zu den ängstlichen Naturen. In seiner Dienstzeit hatte er schon so manches Gesindel, einmal sogar im Alleingang eine bewaffnete Diebesbande, unschädlich gemacht, so Mittmann. Diesmal holt sich Grummini aber Verstärkung aus Luckau. Zehn Volkspolizisten an, zum Teil blutjung und unbewaffnet. Als der Zug hält, betritt Grummini die Abteile. Die gesuchten Tschechen sind allerdings schon in der Bahnhofshalle. Dort stoppt sie ein junger Polizist. Grummini eilt zur Hilfe, dann fallen die Schüsse. Der Kommissar stürzt, aus nächster Nähe getroffen, und ist sofort tot. Offiziell wird sein Tod erst Tage später, als weitere Polizisten den Kugeln der Tschechen zum Opfer fallen. Grummini wird dabei jeweils kurz mit erwähnt. Bestattet wird er in Luckau.
Heinz Sunkel: Der Hauptwachmeister, damals 23 Jahre alt, beteiligt sich am 16. Oktober an der Suche nach den drei verbliebenen Tschechen. Bei Waldow an der B115 werden sie auf einem Feld entdeckt. Die Polizei sichert das Gelände in dunkler Nacht. Die Brüder Masin liegen versteckt. Ctirad entschließt sich, einen der Polizisten auszuschalten. Seine Wahl fällt auf einen jungen Polizisten, der an seinem Gewehr lehnt. Der erste Schuss ist tödlich. Sunkel sinkt getroffen zu Boden. Sechs Tage später wird er in Cottbus mit großem Pomp zu Grabe getragen. In der RUNDSCHAU heißt es am 20. Oktober über ihn: Der 23-jährige Sohn eines Landarbeiters arbeitete vor seiner Aufnahme in die Reihen der Volkspolizei als Ofensetzer, Landarbeiter, Bauarbeiter und im Bergbau. Vor zwei Jahren wurde er Volkspolizist und konnte trotz seiner Jugend schon als Abschnitssbevollmächtiger eingesetzt werden. Sunkel hinterließt zwei Kinder.
Martin Lehmann (1912 – 1953): Der Kommissar beteiligt sich ebenfalls an der Suchaktion von Waldow und wird wie Sunkel zur Zielscheibe für Ctirad Masin, der so seinen Freunden und sich selbst zur Flucht aus scheinbar auswegloser Lage verhilft. Ctirad berichtet später, Lehmann habe sich sich ihm am Waldrand mit der Pistole in der Hand genähert. Ctirad lässt ihn aus seinem Versteck heraus zunächst passieren und schießt ihm dann in den Rücken. Lehmann ist sofort tot. Seine Beisetzung erfolgt Tage später in Cottbus in einer öffentlichen Großveranstaltung. In der RUNDSCHAU steht am 20. Oktober über ihn zu lesen. Als Holzarbeiter lernte er die kapitalistische Ausbeutung am eigenen Leibe kennen. Den Angaben zufolge kommt Lehmann in sowjetische Kriegsgefangenschaft und tritt nach seiner Rückkehr der Volkspolizei bei. Lehmann war Vater von sechs Kindern.
Herbert Hoffmann: Auch den Oberrat glaubt Ctirad Masin laut seinen späteren Erinnerungen erschossen zu haben. Offiziell wird Hoffmann auch als viertes Opfer der faschistischen Mörder ausgeführt. Recherchen Mittmanns belegen allerdings etwas anderes. Demnach wurde Hoffmann von eigenen Kollegen erschossen. Laut Mittmann ereignete sich folgendes: Hoffmann, als Leiter der Mordkommisson in Zivil macht sich an die Verfolgung der entkommenden Tschechen. Mit einem Waffen rast er Richtung Waldow, gerät dabei aber unter Feuer. Hoffmann hält an und versucht, sich als Polizist zu erkennen zu geben. Als er in den Lichtkegel der Scheinwerfer tritt, trifft ihn eine Kugel. Hoffmann wird gemeinsam mit Sunkel und Lehmann in Cottbus zu Grabe getragen. Die RUNDSCHAU berichtet über ihn, er sei von Beruf Werkzeugmacher und seit 1946 Mitglied der SED gewesen. Der 31-Jährige sei unermüdlich bestrebt gewesen, neue Kämpfer für die Arbeiterklasse zu erziehen.
Neben Hoffmann kamen beim Krieg von Luckau wie die Fahndung im Volksmund genannt wurde, drei weitere Polizisten durch Kugeln aus den eigenen Reihen ums Leben. Den Recherchen Mittmanns zufolge waren es:
Der Soldat Alexander Streich geriet am 12. Oktober mit einem Unteroffizier in Streit. Ein Leutnant, der die Schlägerei bemerkte, hielt Streich für einen der Gesuchten und erschoss ihn.
Der Polizeianwärter Rolf Schmidt (damals 18) glaubte bei Hohenseefeld etwas bemerkt zu haben und schoss in ein Gebüsch. Neben ihm eröffneten weitere Schützen das Feuer. Eine verirrte Kugel tötete Schmidt an jenem 12. Oktober.
Am 14. Oktober wurden die Gesuchten angeblich in Karl-Marx-Stadt gesichtet. Bei der Durchsuchung eines Geländeabschnistts löste sich ein Schuss, der der Oberwachtmeister Siegfried Hoffmann tötete.
Quelle: Artikel von Bodo Baumert erschienen in der Lausitzer Rundschau – 26. January 2018
Lausitzer Geschichten – Das waren die fünf Tschechen
Fünf Tschechen machten sich 1953 auf die Flucht durch Ostdeutschland nach West-Berlin. Wer waren sie?
Josef Masin (geboren 1932): Sein Vater, der tschechoslowakische Offizier Josef Masin, kämpfte im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis und wurde posthum zum General befördert. In seinem Testament rief er seine Söhne dazu auf, stets gegen Fremdherrschaft und Diktatur zu kämpfen. Das taten Josef jr. und sein Bruder Ctirad ab Anfang der 1950er im Kampf gegen die stalinistische Führung der CSR. Freunde und Bekannte waren den Schauprozessen zum Opfer gefallen. Mit Gleichgesinnten überfielen die Masin-Brüder daraufhin Polizeistationen und einen Geldtransport, versuchten einen Brandanschlag gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft, der allerdings scheiterte. Dabei wurden mehrere Personen, unter anderem auch Polizisten, erschossen. 1953 reifte dann der Plan, in den Westen zu fliehen, um sich den USA anzuschließen. Die Masins rechneten mit einer Invasion der Amerikaner, bei der sie an vorderster Front mitkämpfen wollten. Da die Grenze nach Deutschland stark bewacht war, entschlossen sich Josef und seine Gefährten zur Flucht durch die DDR nach West-Berlin.
Nach der Ankunft in Berlin schloss sich Joe, wie er sich jetzt nannte, tatsächlich den US-Streitkräften an. Der erhofft große Kampf gegen den Kommunismus blieb allerdings aus. Nach dem Ende seiner Militärzeit zog Joe nach Köln und widmete sich dort unter anderem der Fliegerei. Der tschechoslowakische Geheimdienst versuchte mehrfach, ihn zu entführen oder zu ermorden, was allerdings misslang. Heute lebt Joe Masin in Kalifornien.
Sein Einsatz bleibt in seiner Heimat bis heute umstritten. 2005 erhielten Joe und sein Bruder die Medaille des Premierministers der Tschechischen Republik. Die Auszeichnung wurde allerdings heftig kritisiert.
Ctirad Masin (1930 – 2011): Der ältere der beiden Masin-Brüder ging wie sein Bruder Anfang der 1950er Jahre in der Tschechoslowakei in den Widerstand, nachdem ihm der Zutritt zur Militär-Akademie verweigert wurde. Eher zufällig wurde er nach einem Überfall auf eine Polizei-Station verhaftet. Lose Pläne zu einer Flucht in den Westen waren verraten worden. Ctirad (Radek) wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er in einer Uranium-Mine verbüßte. Nach seiner Entlassung machten sich die Brüder 1953 tatsächlich auf den Weg in den Westen. Ctirad war bei der Flucht häufig der Scout, der sich immer wieder großen Gefahren aussetzte. Nach der Ankunft im Westen schloss er sich der US-Armee an. Er trat aber 1959 aus der Armee aus, nachdem sich keine neuen Ziele für seinen anti-kommunistischen Bestrebungen fanden. Ray, wie er sich nun nannte, wurde US-Bürger und betrat Zeit seines Lebens nicht mehr die alte Heimat. Wie er später erfuhr, wurde seine Mutter nach ihrer Flucht verhaftet. Sie starb im Gefängnis. Auch seine Schwester wurde zeitweilig verhaftet.
Milan Paumer (1931 – 2010): Der gelernte Maschinenschlosser schloss sich früh der Widerstandsgruppe der Brüder Masin an, verübte mit ihnen mehrere Anschläge auf Polizeistationen. 1952 wurde er zum Wehrdienst eingezogen, floh dann aber mit den Masins in den Westen. Dort schloss er sich der US-Armee an und kämpfte unter anderem in Korea. Nach seiner Entlassung wurde er Taxifahrer in Miami. Nachdem 1995 ein tschechisches Berufungsgericht die Taten der Masin-Gruppe für verjährt erklärt hatte, ging Paumer 2001 zurück nach Tschechien. Dort engagierte er sich unter anderem für die konservative Partei, kandidierte auch (erfolglos) für das EU-Parlament. 2010 starb er nach langer Krankheit in Prag.
Zbynek Janata (1932 – 1955): Als Jugendlicher war er befreundet mit den Masin-Brüdern. Josef beschreibt ihn später als rebellischen Zeitgeist. Zbynek schloss sich der Widerstandsgruppe der Masins an und floh mit ihnen 1953 in den Westen. Nach dem Schusswechsel im Bahnhof von Uckro wurde er von der Gruppe getrennt. Einen Tag später konnte ihn die Volkspolizei am Ortseingang von Pelkwitz nördlich von Luckau verhaften. Janata wurde verhört und lieferte den Sicherheitskräften die Namen der anderen Gruppenmitglieder. So entstanden die Fahndungsplakate, die bald überall in der Region rund um Luckau zu sehen waren. Zbynek blieb in Haft und wurde schließlich an die Tschechoslowakei ausgeliefert. Dort wurde ihm der Prozess gemacht und Janata zum Tode verurteilt, obwohl er selbst für keinen der Toten während der Flucht oder zuvor verantwortlich war. Seine Familie wendete sich nach der Verhaftung von ihm ab, um nicht selbst Repressionen ausgesetzt zu werden.
Vaclav Sveda (1921 – 1955): Vasek, wie ihn die Freunde nennen, war zehn Jahre älter als der Rest der Gruppe. Im Gegensatz zu seinen Freunden war er bereits verheiratet und Vater von zwei Kindern, als er sich dem Widerstand anschloss. Bei der Machtübernahme der Kommunisten wurde er als Klassenfeind identifiziert und sein Bauernhof konfisziert. Die Kleinfamilie fand Unterschlupf bei den Masins. 1953, nach der Freilassung Ctirad Masins aus dem Gefängnis, entschloss sich Sveda zur Flucht mit seinen Freunden. Bei der Schießerei in Waldow, nördlich von Luckau, wurde er angeschossen und blieb zurück. Sveda wurde verhaftet. Ihm sollte ein Schauprozess in der DDR gemacht werden. Aber auch die Tschechen wollten ihn und setzten sich schließlich durch. 1955 wurde Sveda zum Tode verurteilt. Seine Abschiedsbriefe aus der Todeszelle wurden seinen Söhnen erst 40 Jahre später zugestellt.
Quelle: Artikel von Bodo Baumert erschienen in der Lausitzer Rundschau – 26. January 2018